Manchmal muss man das Pferd von hinten aufzäumen, um in der Ahnenforschung weiter zu kommen.
Klemens Reichmann ist mein 5-facher Urgroßvater und war einst Besitzer der Romauch-Hube in Berg bei Rosegg. Lange Zeit war er ein genealogischer “Toter Punkt”, da ich weder seinen Geburtseintrag, noch die Einträge seiner zwei Eheschließungen fand. Die Vorbesitzer der Hube waren seine Schwiegereltern Augustin und Barbara Romauch. Ich hatte also keinerlei Anhaltspunkte über seine Herkunft.
Die Suche nach seinen Vorfahren brachte mich auch ins Schloss Gradisch bei Feldkirchen, da die Romauch-Hube im Besitz dieser Grundherrschaft war. Die betreffenden Verwaltungsbücher befinden sich noch in Privatbesitz. Als mich Frau Antoinette Goess empfing und mir die vorhandenen Bücher in der Bibliothek zeigte, fand ich im Urbar zwar den Hof und auch die angeführten Besitzer Klemens und dessen Nachfolger und Sohn Andreas, jedoch keinen Hinweis auf deren Herkunft und Vorfahren.
Klemens Sterbeeintrag sichtete ich auch nicht gleich auf Anhieb, da er den Hof und die Pfarre verlassen hatte. Erst im Sterbebuch der Pfarre St. Egyden an der Drau konnte ich ihn schließlich identifizieren, nachdem ich weitere namensgleiche Personen ausschließen konnte. Dazu half mir ein “Ehrungs-Protokoll” der Herrschaft Keutschach, aus dem hervorging, dass im Jahre 1801 Klemens die Urabel-Hube in Ottosch für seinen anderen Sohn Ignaz übernommen hatte. Er ließ sich auch selbst dort nieder und starb im Jahre 1820. Auch diese Erkenntnisse führten mich in der Erforschung seiner Vorfahren nicht weiter. Doch gab es in dieser Gegend sehr viele Namensträger, was mich vermuten ließ, dass er auch von hier stammen müsste.
Der 3. Oktober 2018 brachte mir dann den lang ersehnten Fortschritt. Ich besuchte das Kärntner Landesarchiv und nahm mir vor, die Inventare der Herrschaft Hollenburg zu durchforsten. Diese Grundherrschaft verfügte in dieser Gegend über viel Grundbesitz und in den Indizes tauchte der Name “Reichmann” öfters auf. In der Archivschachtel mit der Nummer 152 des Bestands Dietrichstein wurde ich dann schließlich fündig. Als ich das Übergabs-Inventar eines Peter Reichmann von 1783 vor mir hatte, las ich unter den aufgezählten Erben: “Klemen Reichmann, Besitzer der Romauch Huben am Berg”. Er wurde hier neben zwei weiteren Söhnen und drei Töchtern explizit als Sohn genannt. Jetzt waren die Familienzusammenhänge klar.
Peter Reichmann übergab bereits zu Lebzeiten seine Schusteritsch-Hube am Rupertiberg dem zweitältesten Sohn Matthäus. Auf den 14 Seiten des Inventariums sind neben den Erben, die aufgefundenen brieflichen Urkunden, die gesamten Fahrnisse des Hofes, sowie allfällige Forderungen und Verbindlichkeiten angeführt. Der Gesamtwert des Hofes und der darin befindlichen Fahrnisse wurde auf 438 Gulden geschätzt.
Mit den daraus gewonnenen Informationen konnte ich in den Kirchenmatriken noch Einträge zu Peter Reichmann, seiner Frau und deren Eltern und Großeltern finden und den Stammbaum mit weiteren Ahnen ergänzen.
Dieses Beispiel zeigt auch, dass eine Familie im Laufe des Lebens zu mehreren Grundherrschaften zugehörig sein konnte. In diesem Fall waren dies die Grundherrschaften Hollenburg, Gradisch und Keutschach. Wenn die Kirchenmatriken nichts mehr hergeben, können grundherrschaftliche Unterlagen oft wertvolle genealogische Informationen liefern.